Urteil und Befehl
In dem zeitgenössischen Geschichtswerk Alexias1 ist diese grausame Hinrichtung in einer erschütternd lebendigen Schilderung überliefert:
„Basileios aber, da er das eigentliche Haupt der Häresie [der Bogomilen] war und keinerlei Reue zeigte, hielten sämtliche Mitglieder der Heiligen Synode [Versammlung der orthodoxen Kirchenleitung] und die führenden Naziräer [Mönche] sowie auch der damalige Patriarch Nikolaos des Feuertodes für würdig.
Dasselbe Urteil fällte auch der Autokrator [der byzantinische Kaiser], der viele ausführliche Gespräche mit ihm geführt hatte und zu dem Schluß gekommen war, daß der Mann unbelehrbar sei und sich von seiner Häresie [seinem bogomilischen Glauben] nicht abkehren würde.
So gab er den Befehl, einen riesigen Scheiterhaufen auf dem Hippodrom anzuzünden; man hatte eine gewaltige Grube ausgehoben, eine große Menge Holz zusammengetragen, alles langstämmige Bäume, die aufgeschichtet sich ausnahmen wie ein Berg.“ 2
Der Scheiterhaufen im Hippodrom
Das antike Hippodrom von Konstantinopel, eine von Kaiser Konstantin erbaute monumentale Pferderennbahn, besaß eine Länge von 400 Metern und eine Weite von bis zu 200 Metern und bot Platz für etwa 30-60.000 Zuschauer. Es war in der Zeit des Oströmischen Reiches der soziale Mittelpunkt der Stadt, indem regelmäßig Wagenrennen vor großem Publikum stattfanden.3
In dieser zentralen Arena des Reiches spielten sich die in der Alexias geschilderten, öffentlichen Ereignisse ab:
„Dann zündete man den Scheiterhaufen an, und eine große Menschenmenge versammelte sich allmählich in der Arena und auf den Zuschauerrängen des Hippodroms, und alle warteten gespannt darauf, was geschehen würde.
Auf der anderen Seite wurde ein Kreuz aufgestellt und dem Gottlosen die Wahl gegeben, falls er doch noch aus Furcht seine Meinung ändere und zu dem Kreuz ginge, dass er dann vom Feuertod befreit sei.
Es war aber auch die Schar der Häretiker [Bogomilen] anwesend und schaute ihrem Anführer Basileios zu. Dieser aber zeigte nach außen Verachtung gegen jede Strafe und Drohung, und er spottete über den Scheiterhaufen, solange er noch weiter entfernt war …
Als aber die Menge auseinandertrat und ihm den Blick freigab auf das grauenerregende Schauspiel des Scheiterhaufens (denn schon aus großer Entfernung konnte er die Glut des Feuers spüren und die Flamme sehen, wie sie hoch empor loderte mit einem Getöse, das wie Donner klang, und Funkensalven in die Höhe schleuderte, die bis hinauf zur steinernen Pyramide wirbelten, die in der Mitte des Hippodroms steht), da schien dieser dreiste Mann doch Angst zu bekommen vor dem Feuer und seine Fassung zu verlieren. Er verdrehte nämlich immer wieder seine Augen, klatschte in die Hände und schlug sich auf die Schenkel wie einer, der nicht mehr aus noch ein weiß.“ 4
Die „steinerne Pyramide“ ist der Obelisk von Kaiser Theodosius, der bis ins heutige Istanbul am damaligen Ort überdauert hat.
Die Alexias berichtet weiter über die letzten Momente im Leben des Basileios:
„Doch obwohl er bereits durch den bloßen Anblick [des brennenden Scheiterhaufens] in diesen Zustand geraden war, blieb er dennoch hart wie Stahl. Denn weder konnte das Feuer seine eherne Seele erweichen noch vermochten die Botschaften, die ihm der Autokrator [der Kaiser] übermitteln ließ, ihn umzustimmen …“ 5
Um die Schilderung richtig einordnen zu können ist zu beachten, dass die Authorin Anna Komnene die Tochter von Kaiser Alexios I. Komnenos war, der die orthodoxe Kirche entschieden förderte und äußerst radikal gegen „Falschgläubige“ vorging. Sie macht aus ihren Vorurteilen keinen Hehl: Der Bogomile sei im Inneren „ein reißender Wolf“ und „widerwärtig“. 6
Die Verbrennung
“ … jedenfalls stand jener verabscheuungswürdige Basileios hilflos jeder Bedrohung und jedem Schrecken ausgesetzt da und starrte bald auf den brennenden Scheiterhaufen, bald auf die Umstehenden.
Und wirklich erschien er allen wie ein Wahnsinniger; weder ging er auf den Scheiterhaufen zu noch wich er auch nur einen einzigen Schritt zurück, sondern blieb wie angewurzelt und unbeweglich an der Stelle stehen, die er zuerst eingenommen hatte.
Da viele Geschichten von ihm im Umlauf waren und seine Fabeleien von Wundern von Mund zu Mund verbreitet wurden, fürchteten die Schergen, dass die Dämonen, die um Basileios seien, eine unerhörte Wundertat vollbringen könnten, mit der Erlaubnis Gottes, dass der Allerverruchteste unversehrt aus diesem gewaltigen Feuer vor aller Augen an einem öffentlichen Ort, wo viele Menschen sind, hervorgehen könnte und dass so ‚der letzte Betrug ärger denn der erste werde‘, und sie beschlossen, ein Experiment durchzuführen.
Während jener [Basileios] nämlich Wunderdinge ankündigte und prahlte, dass man sehen werde, wie er unversehrt mitten aus dem Feuer kommen werde, nahmen sie seinen Mantel und sagten: ‚Wir wollen sehen, ob nicht das Feuer deine Kleider erfasst.‘ Und sogleich warfen sie ihn mitten in die Glut.
Basileios aber war von dem Dämon, der ihn täuschte, so verblendet, dass er ausrief: ‚Seht meinen Mantel, wie er sich in die Lüfte erhebt!‘ Die Schergen hingegen, welche am Saum das Gewebe erkannten, hoben ihn hoch und warfen ihn mitsamt Kleidern und Schuhen mitten in die Glut.
Und so gründlich, als ob sie voller Zorn gegen ihn sei, verzehrte den Gottlosen die Flamme, dass weder irgendein Fettdampf noch eine andere ungewöhnliche Art von Rauch entstand, sondern nur ein dünner rauchartiger Faden in der Mitte der Flamme zu sehen war.“ 7
Es lässt sich anhand dieses zynischen Berichts nur erahnen, welche Schrecken und Qualen der Bogomile Basileios bei seiner Verbrennung erlitten haben muss.
Die lange Einkerkerung
Den Anhängern von Basileios, von denen etliche in Mitgefangenschaft geraten waren, erging es kaum besser:
„Was die übrigen Anhänger der verderblichen Lehre des Basileios angeht, so war das umstehende Volk begierig und drängte danach, auch sie ins Feuer zu werfen, doch der Autokrator [der Kaiser] ließ es nicht zu, sondern befahl, sie in den Säulengängen und Galerien des Großen Palastes in Gewahrsam zu nehmen. Als dies geschehen war, löste sich die Versammlung der Schaulustigen auf.
Später dann wurden die Gottlosen in ein anderes, sehr sicheres Gefängnis überführt, wo sie noch eine lange Zeit zubrachten und schließlich in ihrer Gottlosigkeit starben.“ 8
Quellen / vrela / viri / izvori:
- Anna Komnene, Alexias, Dieter R. Reinsch (Ed.), Walter de Gruyter, Berlin, 2001
- Komnene - S. 545
- The Hippodrome of Constantinople - Ancient History Encyclopedia
- Komnene - S. 545 f.
- Komnene - S. 546
- Komnene - S. 539
- Komnene - S. 545 f.
- Komnene- S. 546
Bildquellen / vrela slika / viri slik / izvori slika:
- Darstellung des antiken Hippodroms von Konstantinopel: Circi Sive Hippodromi Constantinopolitani, gedruckt um 1650 - vintage-maps.com
- Obelisk von Theodosius, Istanbul: Pascal Sebah (1823-1886) - La Mosquée de S.te Sophie et l'Hippodrome, Istanbul, ca. 1880. Catalogue: n. 173. - Wikimedia Commons
- Kaiser Alexios I. Komnenos, Mosaik in der Hagia Sophia: The Yorck Project, 2002 - Wikimedia Commons
- Kaiser Alexios I. Komnenos, Manuskript-Illustration: Fotografie einer Zeichnung von Alexius I, aus einem griechischen Manuskript der Vatikanischen Apostolischen Bibliothek (Vat.gr.666, folio 2 recto) - Wikimedia Commons