Die Bosnische Kirche der Bogomilen, der krstjani

Die Bosnische Kirche wurde im 13. Jahrhundert in den Wirren des Bosnischen Kreuzzugs geformt – von Bogomilen, die sich in der Region krstjani nannten. Sie stand als geistiges Zentrum in Verbindung mit Gemeinden der Bogomilen und Katharer von der der Westtürkei bis nach Italien und Südfrankreich. Als Volkskirche etablierte sie sich rasch auch im mittelalterlichen Königreich Bosnien als politische Kraft und beeinflusste die gesellschaftlichen Geschicke bis ins 15. Jahrhundert hinein.

Die bis heute weit verbreitete Kontroverse über den Charakter der Bosnischen Kirche wird in den Medien häufig vor dem Hintergrund nationaler Geschichte aus katholischer oder orthodoxer Perspektive geführt – und immer wieder findet dabei eine Vereinnahmung im religiösen Sinne statt.

Dieses Vorgehen lässt sich in Bosnien-Herzegowina und Serbien anhand von Baudenkmälern besichtigen: Zahlreich sind die Stätten einst bogomilischer stećci, die unter priesterlichem Edikt mit Kapellen und Kirchen überbaut wurden. Eindrucksvolle steinerne Mahnmale eines inneren Christentums wurden zerstört, verworfen oder gleich als Baumaterial für Symbole katholischer und orthodoxer Glaubensmacht missbraucht.

Ähnlich erging und ergeht es bis heute der Geschichte der bosnischen Bogomilen, der Katharer und ihrer wahren „Kirche Gottes“. Diese gründete, im Kontrast zur damaligen Machtfülle der Priesterreligionen, auf einem inneren, ursprünglichen Christentum – das die Verantwortlichen dieser Kirchen selbst vorlebten.

Die Etablierung der "Bosnischen Kirche"

Die Bosnische Kirche tritt in historischen Dokumenten erst in den 1320er Jahren in Erscheinung. Doch vieles spricht dafür, dass sie schon einige Jahrzehnte zuvor entstand – laut dem US-Historiker Fine bereits zwischen 1234 und 1252. Manche Historiker verorten ihre Entstehung anhand von Indizien sogar noch wesentlich früher.

Bogomilen und ehemalige Katholiken finden zusammen

Fine führt den renommierten serbischen Historiker Sima Ćirković an, der erklärt, wie sich die Bosnische Kirche aus einer regionalen katholischen Organisation entwickelte. Ćirković „glaubte auch, dass in Bosnien eine dualistische Häresie [das Bogomilentum] bestand, die im 13. Jahrhundert wuchs, und gegen die die ungarischen Kreuzzüge gerichtet waren. In der ersten Hälfte des Jahrhunderts – bis zu den Kriegen – blieben die Mönche verschieden von den ‚Ketzern‘, obwohl sie möglicherweise von den dualistischen Ideen bis zu einem gewissen Grad beeinflusst wurden.“ 1

Der Ausdruck „die Kriege“ bezieht sich dabei auf die wenig bekannten Feldzüge des Bosnischen Kreuzzugs ab 1235, der von den Truppen katholischer Machthaber aus Ungarn und Kroatien auf Betreiben des römischen Papstes durchgeführt wurde – und während etlicher leidvoller Jahre Bosnien und die Herzegowina verheerte. Burgen, Dörfer und Städte wurden attackiert, zahlreiche bosnische Adelige und Bewohner in die Flucht getrieben, und tausende Gefangene in die Sklaverei verschleppt.

Verbrennung eines "Ketzers" auf dem Scheiterhaufen
Verbrennung eines "Ketzers" auf dem Scheiterhaufen

Die Folgen dieses brutalen, religiösen Genozids – vor allem an der erstarkenden bogomilischen Bewegung des Landes – waren schwerwiegend, und entzogen dem Katholizismus nachhaltig jegliche Unterstützung.

Ćirković erläutert die damalige Situation der Katholiken näher: „Unmittelbar ab der Mitte des 13. Jahrhunderts befand sich der katholische bosnische Bischof nicht mehr in Bosnien, sondern in Đakovo … Zusammen mit ihm verlor der Katholizismus als Ganzes, der sich ausschließlich an die Idee einer reformierten lateinischen Diözese gebunden hatte, für lange Zeit jeglichen Halt in Bosnien.“

„Gleichzeitig fand in Bosnien selbst ein schicksalhafter Prozess statt: Die Reste der alten Diözese verschmolzen mit dem slawischen Kultus und der [bogomilischen] Gemeinde, deren Auftreten auf bosnischem Boden zu Komplikationen und Kämpfen geführt hatte. Schon vor Beginn der Reform 1233 waren die ecclesia Bosnensis [die Bosnische Kirche] und die dualistischen Ketzer uneins, obwohl sie nicht im Konflikt standen.“

„Symbolisch ist der Fall des letzten Ortsbischofs, dessen Bruder ein Häresiarch [Ältester der Bogomilen] war. Einheimische Kirchenleute und Ketzer [Bogomilen] mussten noch näher zusammenrücken, als ein gemeinsamer erbitterter Feind im Form der Dominikaner und ungarischer Kreuzfahrer auftrat.“ 2

Und so erreichten der Hass und die Brutalität, mit der der päpstliche Stuhl die Ketzerbewegung im Osten auszulöschen gedachte, gerade das Gegenteil: „Die Kriege vereinten alle Bosnier, um die Invasoren zurückzuschlagen, und zogen viele hin zur ketzerischen Bewegung – dadurch, dass sie die Bevölkerung anti-katholisch machten. Die Gruppe der so [von der bogomilischen Lehre] angezogenen umfasste auch die katholische Kirchenorganisation, die [nach dem Kreuzzug] ohne Bischof war. Die beiden Gruppen … vereinten sich etwa Mitte des 13. Jahrhunderts.“

„Diese Vereinigung resultierte in einer Verwaltung, die auf der früheren Mönchsorganisation der katholischen Kirche beruhte – mit einer Theologie, die von den dualistischen Ketzern stammte.“ fasst Fine den weiteren Verlauf der Entwicklung zusammen. 3

Der Charakter der neuen bogomilischen Kirche

Ćirković schildert den Charakter der neuen, eigenständigen Bosnischen Kirche: „Die aus dieser Vereinigung hervorgegangene kirchliche Organisation trug deutliche Spuren ihres doppelten Ursprungs: Sie nahm den Ort und den Namen der ehemaligen orthodox-katholischen Diözese an und erhielt die dualistische Lehre, Kult und Hierarchie [der Bogomilen].“

Bosnische Kirche, der aus Quellen des 14. und 15. Jahrhunderts bekannte offizielle Name dieser dualistischen Religionsgemeinschaft, ist nur eine Übersetzung des lateinischen Namens der ehemals katholischen Diözese. Ebenso besteht kein Zweifel daran, dass diese ketzerische Kirche ihre Position als einzige kirchliche Organisation in Bosnien … ihrer orthodoxen Vorgängerorganisation verdankt.“

„Das dualistische Element, das an der Bildung der bosnischen Kirche beteiligt war, war unbestreitbar vitaler und fähiger, so dass es sich vollständig durchsetzte.“ 4

Die oft verwirrende Vielfalt der Bezeichnungen für diese neue Kirche und ihre Gläubigen erklärt der bosnischer Historiker Imamović: „Während die lokale Tradition [diese Lehre] den Glauben der Bogomilen nennt, nennt das Originalmaterial und folglich die Fachliteratur ihn einfach Häresie, also Ketzerei oder Manichäismus – und seine Anhänger Patarener oder Manichäer. Quellen aus dem Kreis der Ostkirche verwenden die Begriffe babuni und kudugeri. Beide Quellenkreise nennen sie oft einfach bosnische Ketzer.“

„Die Bosnier selbst nannten ihre Religion Bosnischer Glaube oder naš zakon [unser Gesetz] und sich selbst dobri krstjani [gute Christen]. Der Name Bosnische Kirche, wie er erstmals in der Urkunde von Ban Stjepan II. Kotromanić von 1323 erwähnt wird, bezieht sich auf die religiöse Organisation, nicht auf den Glauben selbst.“ 5

Weshalb gründeten die Bogomilen eine Kirche?

Die Motivation der Bogomilen, in Bosnien eine Kirche aufzubauen, ergründet Ćirković: „Dank des erfolgreichen Widerstands bis Mitte des 13. Jahrhunderts sicherten die [Bogomilen] nicht nur ihre gefährdete Existenz, sondern beherrschten auch das ehemalige bosnische Bistum. Dies erleichterte ihnen den Übergang von einer Gemeinschaft aus Anhängern eines Heilsglaubens zu einer organisierten Kirche.“

„Die Tendenz, ihrem religiösen und sozialen Leben bestimmte organisierte und dauerhafte Formen zu geben, wobei das Vorbild zwangsläufig die orthodoxe Kirche war – obwohl sie sie als ‚Dienerin des Satans‘ verurteilten – ist bei allen Dualisten vorhanden. Aber nirgendwo wurde dies so konsequent umgesetzt wie in Bosnien. Durch die Kombination einer Reihe von zuvor skizzierten Umständen erhielten sie die Möglichkeit, den bereits bestehenden und traditionellen Rahmen mit neuen Inhalten zu füllen.“

„Da das mit dem Staatsgebiet zusammenfallende Kirchengebiet durch die Grenzen der bosnischen Adelsmacht von der Außenwelt abgeschirmt war, genossen die bosnischen Dualisten eine Ausnahmestellung: Sie waren die einzige kirchliche Organisation, die wahre Kirche Gottes in Bosnien.“ 6

Wie sah der Adel Bosniens die neue Kirche?

Die Motive des Adels, die derart gestärkte bogomilische Kirche zu unterstützen, erläutert Fine. Er sieht die Gründung der neuen Kirche in einer Zeit, zu der sich herausstellte, dass der neue katholische Bischof ein Untertan des Erzbischofs von Kalocsa und der Ungarn sein würde:

„Interessierten Bosniern musste klar geworden sein, dass ihr Bischof von nun an ungarischen Interessen diesen würde. Es würde keine weitere Wahlen lokaler Kleriker – mit der Zustimmung von Dubrovnik – für diesen Posten geben, so wie es bis 1233 Brauch gewesen war.“

Wappen der Kotromanić-Dynastie, deren Herrscher die Bosnische Kirche häufig protegierten
Wappen der Kotromanić-Dynastie, deren Herrscher die Bosnische Kirche häufig protegierten

„Eine solche Erkenntnis hätte die Bosnier noch stärker motiviert, eine Art autonome, ’nationale‘ Kirche zu gründen. Präzedenzfälle dafür in Serbien und Bulgarien waren vorhanden.“

„Die meisten bosnischen Adligen würden die Notwendigkeit einer solchen Kirche erkannt haben, und sie unterstützen – unabhängig davon, was ihre Doktrin wäre. Auch die [katholischen] bosnischen Priester und Mönche hätten einen solchen Schritt befürwortet, denn sie waren bereits getrennt von ihrer Hierarchie aus Ausländern, die sie angegriffen hatte, die in der Fremde lebte, und die wenig Interesse oder Sympathie für die Verhältnisse in Bosnien hatte.“ 7

Die Kirchen der freien Christen und ihre Verbindungen

Wie Ćirković schreibt, war „die Tendenz, ihrem religiösen und sozialen Leben bestimmte organisierte und dauerhafte Formen zu geben … bei allen Dualisten vorhanden.“ 8 Und tatsächlich findet sich die Vision einer wahren, inneren Kirche – als Gegenentwurf zur den verweltlichten, scheinheiligen Machtkirchen Roms oder Konstantinopels, nicht nur im mittelalterlichen Bosnien.

Der länderübergreifende Charakter der Bewegung der Bogomilen wird in einem Text des Inquisitors Rainerius Sacconi unmissverständlich deutlich. Sacconi war viele Jahre lang Verantwortlicher unter den Katharern in der italienischen Lombardei gewesen, und kannte als solcher die Organisation der freien Christen sehr gut.

Nach seiner Konvertierung und dem Eintritt in den Orden der Dominikaner nutzte er als Inquisitor diese Kenntnisse, um die „Ketzerorganisation“ in Italien mit zu zerschlagen. Er schrieb 1250: „Es bestehen in Summe sechzehn Kirchen der Katharer … so bezeichnen sie sich selbst. Die Kirche der Albanenser … die Albigenser Kirche, die Kirche von Slawonien, die Kirche der Lateiner in Konstantinopel … die Kirche von Bulgarien, die Kirchen von Dragovica. Alle entstanden aus den beiden letztgenannten.“ 9 Der Begriff „Slawonien“ bezieht sich dabei auf die Kirche der Bogomilen in Bosnien.

Gemeinden der Katharer, Patarener und Bogomilen im 13. Jahrhundert im Südeuropa

Für Sacconi, diesen über 17 Jahre hinweg durch eigenes Erleben tief in die Belange der Bewegung eingeweihten – und daher sehr zuverlässig informierten – Ketzerverfolger, bestand also kein Zweifel daran, dass die Bogomilen und Katharer von Bulgarien über Bosnien, Italien und Frankreich in enger Verbindung standen.

Auch, dass sich die verschiedenen Gruppen als Teile einer größeren spirituellen Einheit verstanden, wird bei Sacconi deutlich: „Oh Leser, man kann mit Sicherheit sagen, dass es in der gesamten Welt nicht mehr als 4.000 Katharer beiderlei Geschlechts gibt, und diese hier beschriebene Rechnung wurde in der Vergangenheit viele Male von ihnen selbst durchgeführt.“ 10

Es gab also eine die Länder übergreifende, regelmäßige Zählung der perfecti, der verantwortlichen Mitglieder des inneren Kreises jeder Kirche der Katharer und Bogomilen – und die verschiedenen Gemeinden tauschten sich häufig darüber aus.

Dadurch wird auch eines der Kernanliegen der freien Christen der damaligen Zeit deutlich: Nämlich eine „wahre Kirche“ des Inneren – im Sinne des Friedenslehrers Jesus von Nazareth – in möglichst vielen Ländern aufzubauen, um das Wort Gottes zu verbreiten und in der Tat zu leben.

Am Beginn der katharischen Schrift Eine Rehabilitation der Kirche Gottes heißt es dazu: „Im Namen des Vaters, des Sohnes und der Heiligen Geistes. Wir schlagen vor, einige Zeugnisse aus der Heiligen Schrift nachzuerzählen, um Wissen und Verständnis für die Kirche Gottes zu vermitteln.“

„Diese Kirche ist nicht aus Stein oder Holz gemacht, oder aus etwas von Menschenhand, denn es steht in den Schriften der Apostel, dass der Höchste nicht in Häusern von Menschenhand wohnt. Aber diese Heilige Kirche ist die Versammlung der Getreuen und Geheiligten, in der Jesus Christus ist und bis zum Ende dieser Welt sein wird – denn wie unser Herr im Evangelium von Matthäus sagt: Sieh an! ich bin mit euch an jedem Tage, sogar bis zur Vollendung dieser Welt.“

„Und im Evangelium des Johannes sagt Er: Wenn du mich liebst, halte meine Gebote. Und ich werde den Vater bitten, und er wird euch einen neuen Parakleten geben, auf dass er mit euch sei in Ewigkeit, den Geist der Wahrheit, den die Welt nicht fassen kann, weil sie ihn nicht sieht noch kennt. Ihr aber erkennt ihn, weil er bei euch bleibt und in euch sein wird. Ich werde euch nicht als Waisen zurücklassen; ich werde zu euch kommen …“

„Und diese heilige und unbefleckte Kirche ist die Kammer des Heiligen Geistes … von der Christus sagt: Denn es seid nicht ihr, die sprechen, sondern der Geist eures Vaters, der in euch spricht.“ 11 Die Aussicht auf einen den Parakleten – also einen Tröster, einen neuen Propheten – der Gottes Wort bringen und die „Kirche Gottes“ führen würde bis ans Ende der Tage, spendete den freien Christen wohl damals Hoffnung.

Auch wenn es sich hier um eine Schrift der Katharer aus Südfrankreich handelt, kann ihre inhaltliche Gültigkeit auch für die Bogomilen in Bosnien angenommen werden: Denn die Glaubensbrüder von jenseits der Adria waren entscheidend sowohl am Aufbau der Gemeinden der freien Christen im Languedoc beteiligt, und wurden auch Jahrzehnte später von diesen noch um Rat gefragt.

Eine derart tiefe Verbindung zwischen freien christlichen Gemeinden verschiedener Länder in geistigen Fragen – die in der damaligen Epoche durchaus unmittelbar über Sicherheit und Verfolgung, Leben und Tod bestimmen konnten – kann nur auf der Grundlage einer gemeinsam gelebten geistigen Lehre bestanden haben.

Dies bestätigt auch der renommierte bosnische Historiker Ćošković in seiner umfassenden, aktuellen Monografie über die Bosnische Kirche: „Wenn man allgemein über die Bosnische Kirche spricht, kann man mit Fug und Recht behaupten, dass sie einer dualistischen Bewegung angehörte, die sich über ein großes Gebiet von Kleinasien über den Balkan und Italien bis nach Südfrankreich und Mitteleuropa erstreckte. Angesichts der Tatsache, dass die krstjani selbst ihre wahre Religion und den apostolischen Ursprung ihres Glaubens, des ‚bosnischen Glaubens‘, betonten, kann man mit Recht darauf hinweisen, dass dies auf ihre Zugehörigkeit zum Christentum hindeutet, innerhalb dessen sie sich nach und nach zu einer besonderen kirchlichen Organisation entwickelten.“ 12

Die Glaubensgrundsätze der Bosnischen Kirche

Die Glaubenslehre, die das Fundament der bogomilischen und katharischen Kirchen war, wird eindrucksvoll und klar in der bereits erwähnten Schrift Eine Rehabilitation der Kirche Gottes dargelegt. Die US-Historiker Wakefield und Evans erläutern: Dieses Dokument stammt etwa aus dem Jahr 1250 und „ist eine Darlegung des Wesens, der Kraft, der ethnischen Standards und der Praktiken einer katharischen Kirche, die den gemäßigten Dualismus vertrat.“ 13

Über das Wesen dieser freien, urchristlichen Kirche und ihrer Grundsätze ist dort unter anderem folgendes zu lesen:

„Diese Kirche Gottes, von der wir sprechen, hat von unserem Herrn Jesus Christus eine solche Kraft erhalten, dass Sünden durch ihr Gebet vergeben werden, wie Christus im Johannes-Evangelium sagt: Empfange den Heiligen Geist. Wessen Sünden ihr vergeben sollt, denen sind sie vergeben …“

„Diese Kirche enthält sich des Tötens und stimmt auch nicht zu, dass andere töten dürfen. Denn unser Herr Jesus Christus sagt: Willst du ins Leben eingehen, so sollst du nicht morden.“

„Diese Kirche enthält sich der Lüge und des falschen Zeugnisses …“

„Diese Kirche erleidet Verfolgungen und Drangsal und Martyrium im Namen Christi, denn er selbst litt in dem Wunsch, Seine Kirche zu erlösen und zu retten und ihnen durch Tat und Wort zu zeigen, dass sie bis zum Ende der Welt Verfolgung und Verachtung erleiden müssen und Fluch, so wie Er im Johannes-Evangelium sagt: Haben sie mich verfolgt, werden sie euch verfolgen.“ 14

Der serbische Historiker Ćirković beschreibt den Charakter der Bosnischen Kirche ganz ähnlich: „Laut den bosnischen Ketzern befand die Kirche Gottes unter ihnen, und ihr Ältester war der wahre Erbe von Apostel Petrus. Bis Silvester waren die Päpste demnach ihres Glaubens, daher vom wahren apostolischen Glauben. Doch ansonsten sei die römische Kirche götzendienerisch, und aus ihrer Sicht sei sie verflucht und wurde als ‚Dienerin Satans‘ betrachtet. Desgleichen die ‚Synagogen Satans‘, die materiellen Kirchen.“

„Die bosnische Dualisten benötigten keine Tempel für ihren einfachen Kult … Auch die Verehrung von Ikonen und Bildern in Kirchen, die Verehrung von Reliquien und Gebete in Kirchen galten ihnen als Götzendienst. Neben Ikonen wurde auch das Marterkreuz als ‚Zeichen Satans‘ verurteilt. All dem setzten die bosnischen Dualisten ihre stark vereinfachte Praxis entgegen, dessen Hauptelement das im Knien gesprochene Gottesgebet und das Ritual des Brotbrechens waren. Das in einem bosnischen Manuskript erhaltene Gebet war dabei mit dem Gebet im provenzalischen und lateinischen Ritual der Katharer identisch.“

„Es versteht sich, dass es unmöglich war, die ‚heiligen Sakramente‘ der großen orthodoxen Kirchen in ein solches Verständnis einzupassen, also lehnten sie sie alle der Reihe nach ab, und richteten ihre Kritik insbesondere gegen die Wassertaufe und das Sakrament der Ehe. Stattdessen kannten die bosnischen Patarener die wahre Taufe Christi, die allein die Vergebung der Sünden brachte … Diese Taufe zog die Linie, die die wahren Dualisten von der Masse ihrer Anhänger trennte. Getaufte krstjani und krstjanice durften in keiner Weise sündigen und waren daher verpflichtet, sich an die Askese ihrer Kirche zu halten.“ 15

Von "friedlichen Menschen" und den krstjani

Die Bosnische Kirche war im mittelalterlichen Bosnien weit verbreitet – so schreibt etwa Ćošković, „dass die bosnische Kirche neben dem religiösen Klerus und der religiösen Hierarchie viele Gläubige in allen Schichten der bosnischen Gesellschaft hatte … In den Quellen wird der Unterschied zwischen den krstjani als Angehörigen des geistigen Standes und den Laien, also den Gläubigen der bosnischen Kirche, deutlich …“ 16

Imamović erläutert weiter: „Das Bogomilentum war insofern volksnah, als keine Machtautorität hinter ihm stand und seine religiösen Ältesten durch ihr eigenes Verhalten alles bewiesen, was sie auf religiösen Versammlungen predigten. Diese Lehren waren von einem Inhalt, der alle Gesellschaftsschichten gleichermaßen anzog. Es wurde auch für diejenigen gesorgt, die noch nicht bereit waren, auf weltliche Freuden zu verzichten und sich allen strengen Vorschriften zu unterwerfen.“

„Deshalb gab es zwei Kategorien von Gläubigen: Die erste umfasste die sogenannten Vollkommen [perfecti, electi] oder, wie die lokalen Dokumente sie nennen, pravi krstjani koji grijeha ne ljube [wahre Christen, die die Sünde nicht lieben]. Die zweite Kategorie umfasste gewöhnliche Gläubige [credentes], die als mirski ljudi 17 [friedliche Menschen] bezeichnet wurden.“

„Die erste Kategorie umfasste diejenigen, die bereit waren, sich den strengsten Regeln der Religion zu unterwerfen: Respekt für das Verbot des Verzehrs von Lebensmitteln tierischen Ursprungs, sich von allem dem Prunk, allen Genüssen und sogar der Ehe zu enthalten. Sie folgten vollkommener Askese und lebten meist in Gemeinschaften, in sogenannten hižas, die wohl [katholischen oder orthodoxen] Klöstern oder islamischen tekken entsprachen. Kirchenälteste wurden aus dieser Kategorie von Gläubigen rekrutiert.“

„Zu den [mirski] ljudi gehörte die Mehrheit der Gläubigen, die nicht verpflichtet waren, sich an strenge Vorschriften zu halten. Sie konnten alle Speisen essen, alle Getränke trinken, heiraten, reich werden usw. – aber sie mussten versuchen, zumindest im Alter in allem zurückhaltender zu sein, und sich an die allgemeinen moralischen Normen zu halten, die alle bosnischen Bogomilen auszeichneten: fair und ehrlich zu sein, nicht zu lügen, und anderen nichts Böses anzutun …“ 18

Die äußere Organisation der Kirche

Obwohl die Bosnische Kirche das Priestertum ablehnte, hatte sie doch eine gewisse Struktur, um ihre zahlreichen gesellschaftlichen Aufgaben wahrzunehmen und sich ihrer Gläubigen anzunehmen. Imamović erläutert dazu:

„Organisatorisch gab es eine Hierarchie, die drei Ebenen hatte: djed [Großvater], gost [Gast] und starac [Älterer]. Der djed war das Oberhaupt der Bosnischen Kirche und galt als Stellvertreter und Nachfolger des Apostels Paulus – aber nur für das Gebiet, das von der Bosnischen Kirche abgedeckt wurde …“ 19

Das Evangelium von Batalov aus dem Jahr 1393, in dem zahlreiche Namen von djeds der Bosnischen Kirche aufgelistet werden
Das Evangelium von Batalov aus dem Jahr 1393, in dem zahlreiche Namen von djeds der Bosnischen Kirche aufgelistet werden
Das nur in Fragmenten erhaltene Evangelium von Batalov, entstanden 1393 und heute in St. Petersburg aufbewahrt, enthält eine Liste von Persönlichkeiten und djeds der Bosnischen Kirche – jedoch ohne eine Angabe, zu welcher Zeit sie wirkten: Eremis, Azarija, Kuk’leč, Ivan, Godin, Tišemir, Didodrag, Bučin, Krač, Bratič, Budislav, Dragoš, Dragič, Lubin, Dražeta, Tomiš – sowie Rastudije, Radoe, Radovan, Radovan, Hlapoe, Dragoš, Povr’žen, Radoslav, Radoslav, Miroslav, Boleslav und Ratko. 20 Der kroatische Historiker Šanjek erklärt dazu: „Ban Stjepan II. Kotromanić gab 1323 in Moištra eine Urkunde heraus, vor dem großen djed Radoslav, den man mit dem achten oder neunten Namen derer gleichsetzen kann, die sich zum Orden der Kirche bekannt haben …“ 21 Auch weitere Namen aus der rechten Spalte der Liste lassen sich djeds der Bosnischen Kirche zuordnen, deren Lebensgeschichten bekannt sind, wenn auch häufig nur fragmentarisch. 22 Imamović erklärt weiter: „Dem djed zur Seite standen der gost und der starac. Beide gehörten dem Orden der sogenannten strojniki an, von denen es insgesamt zwölf gab. Diese, mit ihrem djed an der Spitze, repräsentierten den Ältestenorden der Bosnischen Kirche. Die Pflicht des gost und des starac war es, dem djed bei der Führung der Kirche zu helfen, aber auch die dualistische Lehre zu studieren und zu interpretieren. Als Dogmatiker waren sie auch außerhalb Bosniens bekannt. Es kamen auch Ketzer aus anderen Ländern, um von ihnen unterwiesen zu werden – hauptsächlich aus dalmatinischen und italienischen Städten, aus Frankreich, …“ „Andere Mitglieder des Ordens der strojniki übten andere Ältesten- und Bildungsaufgaben aus. In eine solche Position gelangte man nach einen langen Weg voller Entsagungen, Lehren und moralischer und ethischer Tugend. Nur solche Menschen konnten an der Spitze der Bosnischen Kirche stehen.“ 23 Allerdings waren die Ränge der Bosnischen Kirche und ihrer Schwesterkirchen nicht mit den Machtpositionen der katholischen oder orthodoxen Organisationen vergleichbar. Die Historikerin Caterina Bruschi zeit dies an einem Beispiel aus Südfrankreich auf: „Der Fall von Peter de Beauville, vielleicht einer der bekanntesten, warnt uns davor, Kategorisierungen von Funktionen einzelner Ketzer zu viel Bedeutung beizumessen. Peter scheint bei vielen Gelegenheiten als nuncius zu fungieren, aber es ist zu einschränkend, ihn einfach einen ‚Boten‘ zu nennen. In seiner eigenen Aussage gestand er eine Reihe von Aktivitäten, die weitaus umfassender sind als die einfache Aufgabe eines Boten.“ „Er war unermüdlich geschäftlich unterwegs, entweder für sich selbst oder für jemand anderen … Von dort aus plante er Reisen und verwaltete Hospize zugunsten anderer reisender Katharer … Ein weiteres Beispiel für Multitasking innerhalb der Katharer-Gemeinden ist Gaucelm, Bischof der Ketzer, der um 1204 in St. Paul ein Hospiz leitete …“ „Der Punkt ist, dass man aufgrund der Unsicherheit, die sich aus dem Aussagedruck der Inquisitionsunterlagen ergibt, und auch – und vielleicht noch wichtiger – aufgrund der Flexibilität der Rollen innerhalb der Katharerkirche, nicht nur ein Bote, sondern auch ein Gastgeber sein konnte, oder gar ein Bischof … 24 Im mittelalterlichen Bosnien verhielt es sich mit den Verantwortlichen der Bosnischen Kirche wohl ähnlich. Der bosnische Historiker Jalimam erläutert die Tätigkeiten eines gost: „Der stećak des gost Milutin Crničanin wurde in der Herzegowina unweit von Foča aufgefunden, und vervollständigt einiges Wissen über die Glaubenslehre der bosnsichen Bogomilen, die Institution des gost und hilft auch dabei, einiges Unklare über die grundlegenden Aufgaben eines gost korrekt zu interpretieren. Denn im vorliegenden Fall kann gost Miltuin Crničanin anhand historischer Daten identifiziert werden … Er war in einer sehr interessanten Zeit tätig, Ende des 14. und in der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts … und bewies seine Qualitäten und Fähigkeiten auf die beste Weise, vor allem im diplomatischen Dienst für den bosnischen Adel, und auch durch die Arbeit als Schiedsrichter bei Streitigkeiten zwischen Fürsten.“ 25

Wirkungen auf Gesellschaft und Staat

Über Jahrhunderte hinweg war die Geschichte des mittelalterlichen Bosnien mit der Kirche der bosnischen Bogomilen verbunden: „Bosnien war das refugium haereticorum der osteuropäischen manichäischen Welt, der Sitz des bogomilischen Anti-Papstes und das moralisch-intellektuelle Zentrum des albigensischen Widerstandes, nach dem Fall der Provence.“ fasst der serbische Historiker Petrović zusammen. 26

Fairness, Ehrlichkeit und Bescheidenheit

Aufgrund ihrer gelebten, urchristlichen Glaubensgrundsätze und ihrer zahlreichen Anhänger entfaltete die Tätigkeit der Bosnischen Kirche auch gesellschaftliche Wirkung:

„Was selbst die größten Gegner den bosnischen Bogomilen nicht absprechen konnten, waren ihre hohen moralischen Qualitäten. Das sind in erster Linie Fairness und Ehrlichkeit, die eng mit den Lehren ihrer Kirche verbunden waren.“

„Es genügt festzustellen, dass sie von ihren Gläubigen keine Steuern verlangten oder ihnen irgendwelche Abgaben vorschrieben, weil dies den Grundprinzipien ihrer Morallehre widersprochen hätte. Sie machten ihre Gläubigen nicht zu Untertanen, sondern verbanden sich mit Ihnen über Gefühle brüderlicher Gegenseitigkeit.“

„Sie erhielten nicht einmal große Landspenden oder andere große Geschenke – im Gegensatz zu den Amtskirchen, die im Mittelalter zu den reichsten gesellschaftlichen Institutionen jener Zeit wurden. Mit anderen Worten: Die Bosnische Kirche strebte nicht danach, ein Feudalherr zu werden – was sie zu einem Anachronismus in der Zeitepoche machte, in der sie existierte.“

„Ihre Gemeinde ernährte sich von den Einkünften aus der eigenen Arbeit ihrer Mitglieder auf dem gemeinsamen Eigentum, das in seiner Größe den Rahmen des bescheidenen Bedarfs des täglichen Lebens nicht überstieg … So bewiesen die Angehörigen der bosnischen Bogomilen in ihrer täglichen Praxis am besten, was sie in ihrer Religion predigten.“ schreibt Imamović. 27

Die Verbindung von Kirche und Adel

Durch äußere Umstände war die Bosnische Kirche seit ihrer Etablierung während der Wirren der Bosnischen Kreuzzüge im 13. Jahrhundert nicht nur mit dem Volk, sondern auch eng mit dem bosnischen Adel verbunden. Imamović führt dazu zahlreiche Belege an:

„Eines der Phänomene der bosnischen Kirche ist, dass sie fest mit dem Volk verbunden war, einschließlich der herrschenden Klasse und des Herrschers. Es ist wichtig anzumerken, dass sie dabei ihre Autorität nie aufgezwungen oder sanktioniert hat. Die historischen Aufzeichnungen zeigen deutlich, dass sich sozusagen alle Herrscher einheimischer Herkunft zu diesem Glauben bekannten – und selbst die wenigen, die dies eine Zeitlang nicht taten, wurden durch politischen Druck der Päpste und europäischen Herrscher dazu gezwungen.“

„Zahlreiche Originaldokumente weisen auf die bogomilische Zugehörigkeit der bosnischen Herrscher hin. In den Berichten der päpstlichen Gesandten, der Inquisition und der örtlichen Franziskaner werden regelmäßig Vorwürfe erhoben, dass die Herrscher selbst der Ketzerei in ihrem Land folgen und sie unterstützen.“

„In einem Brief vom 10. Oktober 1233 erinnert Papst Gregor IX. Ban Ninoslav daran, dass alle seine Vorfahren, das heißt die ehemaligen Herrscher Bosniens, mit ketzerischer Häresie infiziert gewesen seien. Zweihundert Jahre später bemerkte ein zeitgenössischer Franziskaner in einem Bericht vom 20. Dezember 1435 über König Tvrtko II.: Dieser König ist nur äußerlich ein [katholischer] Christ. Er wurde nicht einmal getauft und hindert die Ordensbrüder in seinem Land in jeder Hinsicht daran, die [katholische] Taufe durchzuführen … Es leben dort manichäische Ketzer … wilde Feinde der Kirche.

„Es ist zuverlässig bekannt, dass die Mehrheit der Adelsfamilien dem Glauben der Bogomilen angehörte – darunter die bekanntesten und mächtigsten wie die Hranići, Pavlovići, Klešići, Kosače, Hrvatinići, Sankovići und andere. Erwähnen wir auch, dass die berühmten Fürsten Hrvoje Vukčić und Herzog Stjepan Vukčić standhafte Bogomilen waren. An ihren Höfen waren ständig einige der hohen bogomilischen Ältesten anwesend, die verschiedene Aufgaben für sie erfüllten – einschließlich des diplomatischen Dienstes.“ 28

Mit der Zeit wurden der Bosnischen Kirche auch staatstragende Aufgaben zuteil: „Da die Adligen häufig in Konflikt gerieten, zerstörten und brannten sie die Städte des anderen nieder, so dass einige von ihnen ihre Urkunden in den Archiven der bosnischen Kirche aufbewahrten, also beim djed der Bogomilen in Moištra.“ so Imamović. 29

Und Petrović ergänzt: „Die Bosnische Kirche erhielt höchstwahrscheinlich im 14. Jahrhundert die Rolle des Koronators 30 von Tvrtko I. Das Mausoleum und die Kirche der Kotromanić-Dynastie in Mile wurden als herrschaftliche Insignien zu Beginn des 15. Jahrhunderts nach Bobovac verlegt …“ 31

Moralische und diplomatische Autorität – sogar dem König gegenüber

Als moralische und geistige Instanz wurde die Bosnische Kirche respektiert, obwohl sie ihrerseits keinen Machtanspruch erhob: „Die Ältesten der Bosnischen Kirche genossen jedoch auch ohne formelle Rechtsgrundlage große Autorität, sowohl beim Volk, als auch bei den Herrschenden und im Adel. Sowohl die bane als auch die Könige respektierten die Meinungen und Einstellungen der Ältesten der Bogomilen in jeder Frage, selbst in Fällen, in denen sie selbst mit einem der Ihren oder mit Ausländern im Streit lagen.“ 32

Der bosnische Historiker Pavao Anđelić zeigt dies anschaulich an einigen Beispielen: „Der zweite öffentliche Auftritt der bosnischen Kirche, der in Dokumenten festgehalten ist, ist derjenige, auf den in der Urkunde von Ban Stjepan II. Bezug genommen wird, welche zwischen 1326 und 1329 in Moištra ausgestellt wurde.“

„Im Urkundentext wird ausdrücklich erwähnt, dass die entsprechende Entscheidung getroffen, der Eid geleistet und die Urkunde ausgestellt wurde – und zwar im Haus [der hiža] des großen gost Radoslav, vor djed Radomir, dem großen gost Radoslav, den starci Radomir, Žunbor und Vučka und vor der ganzen Kirche. Die Versammlung, auf der diese Charta erlassen wurde – inhaltlich eine feudale Schenkung und Eidbekundung – war ohne Zweifel eine Staatsversammlung.“

„Hier zeigt sich besonders die gesellschaftliche und politische Rolle der bosnischen Volkskirche als Beschützerin der Feudalordnung, sowie ihre Funktion als glaubwürdiger Ort [locus credibilis], der die Echtheit des Dokuments sicherstellt. Wie aus dem Text der Charta hervorgeht, war damals die gesamte Kirche [also ihre Hauptvertreter] in Moištra angesiedelt und erfüllte dort ihre öffentlichen Aufgaben.“ 33

Zum damaligen Status der Bosnischen Kirche stellt der kroatische Historiker Dr. Ćiro Truhelka fest: „Die bogumilische Hierachie genoss in Bosnien dasselbe Ansehen wie die katholische in anderen Ländern, und hatte den gleichen Einfluss im Staatsleben.“ Er führt weiter aus, dass die „Bogumilen- oder Patarenerkirche“ sogar das jus asyli ausübte – also eine Art Kirchenasyl zum Schutze Flüchtiger vor staatlicher Willkür und Gewalt. 34

„Wie diese Schutzfunktion der Bosnischen Kirche in der Praxis aussah, geht aus der Urkunde von König Ostoja, den entsprechenden Briefen des Bischofs der bosnischen Kirche und Akten der Dubrovniker Regierung von 1404 hervor.“

Das Nationalarchiv in Dubrovnik im Sponza-Palast beherbergt bis heute zahlreiche mittelalterliche Originaldokumente
Das Nationalarchiv in Dubrovnik im Sponza-Palast beherbergt bis heute zahlreiche mittelalterliche Originaldokumente

„Herzog Pavao Klešić, ein Mitglied einer angesehenen Adelsfamilie und ein Verwandter des Hauses Kotromanić, geriet nämlich in Konflikt mit König Ostoja, der seine weitläufigen feudalen Güter in Bosnien, Duvno, Glamoč und Primorje beschlagnahmte. Um seinen Kopf zu retten, floh Klešić nach Dubrovnik – aber er bat um das Gericht und den Schutz der Bosnischen Kirche.“

„Das Urteil der Kirche wurde zugunsten von Klešić gefällt, und der König musste durch eine besondere Urkunde, die in Visoko ausgestellt wurde, alle Besitztümer an seinen Vasallen zurückgeben. Darüber hinaus gingen sieben krstjani der Bosnischen Kirche mit besonderen Briefen von König Ostoja und des djed nach Dubrovnik, um sich des Herrn Vojvode Pavle Klešić anzunehmen und ihn mit eigener Hand wieder in alles was sein ist zu verbringen.“

Zahlreiche Regierungsdokumente aus der Zeit der Republik Ragusa, wie sich Dubrovnik im Mittelalter nannte, sind im Nationalarchiv erhalten
Zahlreiche Regierungsdokumente aus der Zeit der Republik Ragusa, wie sich Dubrovnik im Mittelalter nannte, sind im Nationalarchiv erhalten

„In den offiziellen Büchern von Dubrovnik steht, dass diese krstjani herzlich aufgenommen und auf Kosten der Regierung beschenkt wurden. All diese Aktivitäten fanden in der Gegend von Visoko statt, da aus anderen Quellen bekannt ist, dass Ostoja in diesen Jahren fast ununterbrochen in Podvisoki residierte.“

„Die Gesandtschaft von Dubrovnik, die 1404 mit König Ostoja über Frieden verhandeln musste, wurde beauftragt, im Beisein der Patarener [Bogomilen] die alten Dubrovniker Urkunden zu verlesen. Die Verhandlungen wurden in Podvisoko geführt.“

„Daraus lässt sich schließen, dass laut Dubrovniker Diplomatie damals die Bosnische Kirche einen großen Einfluss auf das Staatsgeschehen hatte, und sich die prominentesten Vertreter der Kirche ständig in der Nähe des Herrscherhofes in Podvisoko aufhielten.“

„In derselben Anweisung heißt es, dass ein politischer Gegner des Königs in einem patarenischen Haus mitten in seinem Reich lebe und dass er durch patarenische Freiheiten frei [also geschützt] sei.“ 35

Das ohnmächtige Wüten der Päpste

Die starke Stellung der Bogomilen im Königreich Bosnien zog auch nach dem Scheitern der Kreuzzüge gegen die Ketzer dieser Region in den 1230er Jahren weiterhin den Unmut der katholischen, angeblichen „Stellvertreter Gottes auf Erden“ in Rom auf sich:

„Der Kampf zwischen Ketzerei und traditioneller Kirche einerseits und dem Papsttum, den Dominikanern und dem ungarischen Klerus andererseits war verflochten mit dem Kampf der bosnischen Herrscher und des Adels gegen die Versuche der ungarischen Könige, Bosniens staatliche Unabhängigkeit zu vernichten.“

„Zur selben Zeit als der ungarische König und die Dominikaner in einem Lager waren, fanden sich im anderen Lager der Adel, Ketzer [Bogomilen], sowie Überreste der alten [katholischen] Diözese und ihre Anhänger wieder. Das Schicksal – sowohl der einen, als auch der anderen – wurde in denselben blutigen Auseinandersetzungen entschieden.“

„So fand die Bosnische Kirche ihre stärksten Förderer im Adel und gelegentlich bei den Herrschenden, während sie für diese gleichzeitig ein Symbol der bosnischen Unabhängigkeit darstellte.“ so Ćirković. 36

Grab von Papst Benedikt XII. im französischen Avignon
Grab von Papst Benedikt XII. im französischen Avignon

In zahlreichen diplomatischen Schreiben und anderen Dokumenten wird der fortgesetzte Zorn der Päpste deutlich – so etwa im Brief von Papst Benedikt XII. an den bosnischen ban Stjepan II. vom 28. Februar 1340:

„Aus dem Bericht des geliebten Sohnes, Bruder Gerald, des Generalministers des Ordens der Minderbrüder [Franziskaner], haben wir kürzlich erfahren, dass er, als er mit seinem liebsten Sohn in Christus, Karl, dem aufgeklärtesten König von Ungarn, zusammentraf, in Ihrer Anwesenheit feststellte, dass Sie im Raum der bosnischen Herrscher bereit sind zur Wiederherstellung des [katholischen] Gottesdienstes, der wegen der vielen dort lebenden Ketzer, wie es heißt, dort aus diesem Grund vollständig verschwunden ist, und dass Sie den lobenswerten Wunsch haben, dass all diese Kirchen, die jetzt zerstört daliegen, mit Gottes Hilfe in ihren früheren Zustand versetzt und wieder aufgebaut werden …“

„Daher bitten, ermahnen und warnen wir Ihren Adel, so umsichtig dieser auch sein mag, dass es für Sie und die Ihren gefährlich werden könnte, wenn sich Ketzer so öffentlich und sicher in dem besagten bosnischen Herrschaftsgebiet bewegen dürfen …“ 37 Weiter im Text bietet der Papst umfangreiche Hilfen zur „Ausrottung besagter Ketzer“ an.

Über eine lange Zeit hinweg konnte sich die Bosnische Kirche unter dem Schutz des Königreiches Bosnien entfalten. Doch im 15. Jahrhundert neigte sich diese im Mittelalter einzigartige Blütezeit eines freien Christentums langsam ihrem Ende zu:

„Der wirtschaftliche Aufstieg Bosniens im 14. und 15. Jahrhundert, von dem vor allem der Hochadel profitierte, säkularisierte dessen religiösen Überzeugungen. Die Adligen schwankten zwischen dem Bogomilentum der bosnischen Religion und dem Katholizismus der römischen Religion …“ schreibt Petrović. 38

Im Angesicht der im 15. Jahrhundert anwachsenden militärischen Bedrohung durch das Osmanische Reich sollte dieses Schwanken letztendlich zu einem für die Bosnische Kirche – und das Königreich Bosnien insgesamt – fatalen Schicksal beitragen.

Der bogomilische Glaube – Bosniens Stärkung und Schicksal

Der bosnische Historiker Enver Imamović fasst die Bedeutung der bogomilischen Kirche der bosnischen krstjani und ihres Glaubens prägnant zusammen: „Obwohl in der wissenschaftlichen Literatur verschiedene Namen verwendet werden, wird er im heimatlichen [bosnischen] Umfeld üblicherweise als Glaube der Bogomilen bezeichnet. Er hatte alle Merkmale einer Volksreligion, folgte jedoch nicht den Lehren der offiziellen Kirche – weshalb er als Ketzerei bezeichnet wurde, als Häresie.“

„Deshalb stand Bosnien während des gesamten Mittelalters unter dem Zeichen von Konflikten, Verfolgung und Kreuzzügen. Seine Anhänger waren das Ziel sowohl westlicher als auch östlicher Kirchen. Aber egal wie hartnäckig er verfolgt wurde, er widersetzte sich hartnäckig – wenn auch auf Kosten enormer Opfer und Unglücksfälle, die von seinen Anhängern ertragen wurden …“

„Die Bedeutung und der Einfluss dieses Glaubens auf das private und öffentliche Leben der Bewohner des mittelalterlichen Bosnien war enorm. Innen- und Außenpolitik und alles andere, was mit Bosnien zu tun hatte, stand unter seinem Zeichen. Der mittelalterliche Staat wurde mit ihm geschaffen, er war für alle Zeiten die Achse seiner Politik, und dieser Staat verschwand mit ihm.“ 39

Quellen / vrela / viri / izvori:

  1. Übersetzung aus: John Fine, The Bosnian Church, SAQI/The Bosnian Institute, London, 2007 - S. 135 f.
  2. Übersetzung aus: Sima Ćirković, Istorija Srednjovekovne Bosanske Države, SKZ, Beograd, 1964 - S. 50 f.
  3. Übersetzung aus: Fine - S. 135 f.
  4. Übersetzung aus: Ćirković - S. 50 f.
  5. Übersetzung aus: Enver Imamović, Korijeni i život Bosanskog plemstva kroz historiju, Sarajevo, 2018 - S. 71 f.
  6. Übersetzung aus: Ćirković - S. 81
  7. Übersetzung aus: Fine - S. 134
  8. Übersetzung aus: Ćirković - S. 81
  9. Übersetzung aus: Walter L. Wakefield, Austin P. Evans, Heresies of the High Middle Ages, Columbia University Press, New York, 1991 - S. 336
  10. Übersetzung aus: Wakefield - S. 337
  11. Übersetzung aus: Wakefield - S. 596
  12. Übersetzung aus: Pejo Ćošković, Crkva bosanska u XV. stoljeću, in: Historijske Monografije, Institut za istoriju, Sarajevo, 2005 - S. 444
  13. Übersetzung aus: Wakefield - S. 592
  14. Übersetzung aus: Wakefield - S. 596 ff.
  15. Übersetzung aus: Ćirković - S. 83
  16. Übersetzung aus: Ćošković - S. 219
  17. Zahlreiche Historiker verwenden hier den Begriff mrsni ljudi. Zutreffend, auch inhaltlich, ist jedoch die Lesart mirski ljudi - siehe Ćošković S. 224.
  18. Übersetzung aus: Imamović - S. 74
  19. Übersetzung aus: Imamović - S. 75
  20. siehe Franjo Šanjek, Bosansko-humski krstjani u povjesnim vrelima, Barbat, Zagreb, 2003 - S. 357
  21. Übersetzung aus: Šanjek - S. 357
  22. siehe Ćošković - S. 410 ff.
  23. Übersetzung aus: Imamović - S. 75
  24. Übersetzung aus: Caterina Bruschi, The Wandering Heretics of Languedoc, Cambridge University Press, 2009 - S. 68
  25. Übersetzung aus: Salih Jalimam, Historija bosanskih Bogomila, IPP Hamidović, Tuzla, 1999 - S. 204 f.
  26. Übersetzung aus: Radmilo Petrović, Bogumili, Rubikon, Novi Sad, 2010 - S. 11
  27. Übersetzung aus: Imamović - S. 73
  28. Übersetzung aus: Imamović - S. 76
  29. Übersetzung aus: Imamović - S. 70
  30. Koronator: Person, die die Krönung von Königen oder Kaisern vornimmt.
  31. Übersetzung aus: Petrović - S. 124
  32. Übersetzung aus: Imamović - S. 77
  33. Übersetzung aus: Pavao Anđelić, Srednji vijek - doba stare bosanske države, Visoko, 1984 - S. 125 f.
  34. Ćiro Truhelka, Das mittelalterliche Staats- und Gerichtswesen in Bosnien, in: Wissenschaftliche Mitteilungen aus Bosnien und der Herzegowina 10/1907, Hrsg. Bosnisch-Herzegowinisches Landesmuseum in Sarajevo, Verlag Adolf Holzhausen, Wien, 1907 - S. 136
  35. Übersetzung aus: Pavao Anđelić, Srednji vijek - doba stare bosanske države, Visoko, 1984 - S. 125 f.
  36. Übersetzung aus: Ćirković - S. 50 f.
  37. Übersetzung aus: Dženan Dautović, Esad Kurtović, Codex diplomaticus regni Bosnae: povelje i pisma stare bosanske države, Mladinska knjiga, Sarajevo, 2018 - S. 90
  38. Übersetzung aus: Petrović - S. 129
  39. Übersetzung aus: Imamović - S. 71

Bildquellen / vrela slika / viri slik / izvori slika:

  • Verbrennung eines „Ketzers“ auf dem Scheiterhaufen: Wikimedia Commons
  • Gemeinden der Katharer, Patarener und Bogomilen im 13. Jahrhundert im Südeuropa: © die-bogomilen.de, basierend auf Heinrich Theodor Menke, Public domain, via Wikimedia Commons
  • Das Evangelium von Batalov aus dem Jahr 1393, in dem zahlreiche Namen von djeds der Bosnischen Kirche aufgelistet werden: Stanko Kromirijanin (14th century author of the manuscript) / Kuna, Herta (author of the book where image of the manuscript was published)., Public domain, via Wikimedia Commons - Kolorierung nach: Dženan Dautović, Esad Kurtović, Codex diplomaticus regni Bosnae: povelje i pisma stare bosanske države, Mladinska knjiga, Sarajevo, 2018 - S. 190
  • Das Nationalarchiv in Dubrovnik im Sponza-Palast beherbergt bis heute zahlreiche mittelalterliche Originaldokumente: © die-bogomilen.de
  • Grab von Papst Benedikt XII. im französischen Avignon: Jjpetite, CC BY-SA 4.0, via Wikimedia Commons
Inhaltsverzeichnis
Sebastian Hoblaj